Morgen  
31.5.20, 21:15
Geposted von Kerstin Seidel

MORGEN



Licht und Luft so leicht so dicht
gesponnen und kein Mensch
atmet sie auf dem Platz
das Morgengrauen als wüsste
die Sonne wohin sie müsste
im Untergang beten die Toten
und büßen für etwas,
das Niemand und Niemals geschieht,
wie der Schmerz dem Stein,
um den sich die Hand legt zur Faust
erhoben wie die Wolken,
damit kein Fuß ihn mehr tritt,
wie das Meer voll Falten
angesichts der Angst
züngeln die Wellen zum Steil
und Sturz ein Blick
kann nicht sprechen,
der stumm immer sich abnutzt
und leichter auch unmerklich
der Sprung zur anderen Seite dort,
wo Worte warten auf Fehler
sobald man sie spricht weiß Gott
sie kosten das Leben,
aber morgen, als gäbe es noch Bedeutung,
wachsen Bäume im letzten Moment


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Sprachlos 
31.5.20, 08:13
Geposted von Kerstin Seidel

Sprachlos



Die Dunkelheit fröstelt die Fenster
beschlagen das Licht
von der Welt zum Wachsein verurteilt
zur Leere erstarrt der Blick
fixiert auf Nichts sagend
mein weit aufgerissener Mund
schreit verstummt
inmitten atemloser Gedanken wo
bleibt die barmherzige Stille,
die die Kühle der aufgehäuften Stunden
zu entschärfen wüsste
bis zum ersten bläulichen Licht
des Morgens, wo bleibt der Mut
der Mutter zahnlose Zeugin
unwiederbringlicher Zeit,
die sich ansammelt außerhalb
der Nacht zum Leben verdammt
die Stimmen der Kinder treiben zu mir
zerfetzt im Schweigen ein Echo
des Endes, wo bleibt der Morgen
rede ich von der Zukunft


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Rosen  
28.5.20, 19:15
Geposted von Kerstin Seidel

ROSEN



Blüten auf knorpligem Stengel
drängen, ducken sich unter
den bröckelnden Balkon ranken,
klettern hinauf an gekreuzten
Streben wohnen Rücken an Rücken
hinübergebogen auf kantigen
Stein und blühen sich rund und
rot und gelb im Regen ragen sie
trauertropfend den schweren Kopf
hinab bis zur Tür tauchten Träume auf,
von Kindheit, von Habenwollen
zu kurze Stiele gepflücktes Glück im
Glas auf dem Morgentablett der Mutter
wollte das regennasse
Rosenwort flüstern vom Duft und
Dasein in feuchter Luft lauschen
dem Lied ihrer vielen hundert Blüten
unversehrt der Welt ein Wunder
unversehrt lass ich die Rosen stehen
vor jener Tür, durch welche Kindheit tritt


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Frieden  
24.5.20, 20:19
Geposted von Kerstin Seidel
FRIEDEN

Das Flüstern füllt die Farben
hinter dem Fenster das Licht
ist zurückgekehrt in kleinen Geheimnissen
erinnern Worte an Engel mit funkelnden Federn
in stummem Gewand kleidet sich
Unausgesprochenes kleine Namen
sinken alle hinab gegen ein Unsichtbares, doch niemand spricht sie aus, niemand zerwühlt das Haar
des Hörbaren bleibt unberührt
meine Hand ausgestreckt dem bedeckten Himmel entgegen laufen
Bekenntnisse klappernd und klickend
unter dunklem Regen schichten sich
dünne Scheiben der Stille eingewickelt
im Frieden der Felder


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Am Strand  
24.5.20, 18:47
Geposted von Kerstin Seidel
Am Strand

steht die Frau in den Wolken
verfangen sich Stimmen und
rufen das Stillen des Sturms
trifft den Regen
im Rollen der Steine
unter ihren Stiefeln
stolpert das Wort,
wie sich die Wellen waschen
an der Luft im Laufe
bläht der Wind ihr Cape,
gibt Raum für ein kleines Gedächtnis,
Frühling -
als sie rannte,
ein Mädchen im Mai,
das seine Zärtlichkeit
in den Regen tropfte,
Meer - Salz - Haut - Sie
erlernte das Heulen des Windes
von vorn mit der Gischt
kam die See rauh
rief die Liebe in all
ihren alten Sprachen


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Frei 
23.5.20, 19:50
Geposted von Kerstin Seidel

FREI



Im Frühling lebt sich‘s lichterleicht
rollt vom Grab der Stein
den schwer zu tragen
die Welt wiedert
Blüten spitzenbesetz
fliegen Glockentöne und
Vogelgezwitscher flattert
auf und ab schöner
noch als der Traum war
die Nacht so weit und breit,
dass nichts schmerzt mehr
im Blick blüht die Sonne und
Musik und Mond und das
Schwarze vom Schnee
der zagt und schmilzt
in allen Taschen die Schatten
so aber Gott will,
sind frei


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Bilder  
21.5.20, 10:29
Geposted von Kerstin Seidel

BILDER



Der Pinsel pfeilt über die Leinwand
zieht Zauberspuren ein Himmel
aus dem ich gleich falle
noch orangener als Orangen
und die Tiefen, die mich erwarten,
sind an der Oberfläche so zart blau
wie die Ränder der Wolkenbänder schau, hoch über unserem Haus schwebt eine Blume, weich und weiß,
deren Blätter wie ein Regenbogen sind,
die sich von Grün bis Grün wogen
und deren gedrängte Schneeblüten
weißglühen, mich fühlen wie Feuer
wärmen seine Farben die Sonne sind
Beleuchtung für Träume
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MAITAG  
21.5.20, 09:45
Geposted von Kerstin Seidel

MAITAG



Im Rapslicht seh ich die Bilder
leuchten in Grün und Gold
ein Maitag mit Sonnenritterschlag
lacht Libellenkiekser in die Luft
wärmt die Wirbelsäule gerade
und gerecht das macht mich heilig
und die Kühe stumm und
die Mücken tanzen Irrlicht
Mücken wimmeln in den Wiesen
lachen heiser ziehen ihre Spuren
lachen leiser ziehen auf die Uhren
heute glitzert die Luft
dass sie „Anhalten!“ ruft


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Lila Flieder 
14.5.20, 10:56
Geposted von Kerstin Seidel

Lila Flieder



eine armlänge Abstand
im Zimmer auf dem Wolkentisch
das Holz etwas dunkler
als der Flieder und sein Schatten
schlägt Spitzen das Tischtuch
ist weiß wie unberührter Schnee
mit scharf gezackten Rändern,
durchs Fenster fallen Risse, Licht-
striche eine Zäsur gegen Zeit
bleibt stehen wie ein Hemdkragen
gestärkt wie das wilde Gewächs,
das zur Freiheit drängt, ein Stück
weicher Körper mit lila Linien dazwischen
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Am Abend  
18.4.20, 08:35
Geposted von Kerstin Seidel

AM ABEND



Der Frühling ertrinkt in Farben
Buchen bluten aus
Tauhalme fließen
verflochtenes Glitzern
gelb glüht der Ginster
in schwerelosen Blüten
schweben Fäden
flechten Netze zwischen
grünende Zweige baut
die Amsel ein filigranes Heim
ahnungslos ist das Rauschen
der Kirschbäume weit
leuchtet ihr weißwelliges
Wiesengrün macht mir wieder
und wieder den Weg frei
flüchtet mein Traumvogel
in‘s Uferlos und die Turmglocke
schlägt das Lied der Vergänglichkeit
zwischen den Fingern
fühle ich die letzte
Wärme des Steins


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