ZUSAMMEN 
30.6.19, 10:58
Geposted von Kerstin Seidel

Für Kurt:
ZUSAMMEN


Unsere Körper
ein Leib bis zur Hälfte
ein Stück vor Zeiten
zusammen gewachsen,
zwei Seiten, eine Richtung,
ein Zwilling der seltenen
Art, erst über der Mitte
leben die Leiber verbunden
durch Liebe es ändert sich
nichts: Zuneigen oder abwenden
wir bleiben zur Hälfte
ein Stück, zur anderen
zwei: abneigen und zuwenden
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MORGEN AM DEICH 
30.6.19, 10:56
Geposted von Kerstin Seidel

MORGEN AM DEICH



Ein ganz heller Ton
rutscht von den Baumspitzen
bestreicht den Splitter
mit gelbem Honig
der blaue Himmel
wickelt sein Windhemd
um den weißen Kirchturm
mit der Brille
sieht die Sonne herab
um die Ecke
fallen Fußspuren
in die ausgeschlafene Wiese
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FEINFÜHLIG 
30.6.19, 10:54
Geposted von Kerstin Seidel

FEINFÜHLIG



Es gibt Brot an diesem Tisch,
um diesen Tisch sitzen Freunde,
sie sprechen in der Farbensprache,
singen sinnliche Lieder, gehen fremd.
Angst nutzen sie als Trampolin,
ihr Augenschein ist Ohrenschein -
Nacht für Nacht hören sie das Gewicht
der alten Meister und ihrer vielen Melodien.
Ihre Hände waren voll und sind
jetzt leer gefegt: Kehraus!
Die traurigen Träumer
halten ihren Schmerz für zu klein,
kläglichen Kram, fast blind, verrieben
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AUFWÄRTS 
30.6.19, 10:51
Geposted von Kerstin Seidel

AUFWÄRTS



Ich öffne die Tür und höre
Wolken wachsen und
Nebel aus der Wiese,
der aufsteigt wie ein Geist
aus frischgemähtem Gras
neben dem Geräteschuppen
der Weg führt zum Fluss
vorbei an der alten Mühle,
an meinen Händen klebt Mehl,
Mondstaub vom Himmel
sinkt die Dämmerung,
die aufsteigt aus dem Wasser
bis ich weiß ob ich
Spiegelbild bin oder Original
halte ich den Kurs
Richtung Sterne
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BLAU 
30.6.19, 10:49
Geposted von Kerstin Seidel

FÜR KURT: BLAU


Er trägt auf und strichelt,
schwingt über die Leinwand
beidhändig, breitspurig -
überdeckt und macht sichtbar,
versteht, verdichtet, verknüpft,
kratzt das Leben in die Leinwand
das Gefühl einer Landschaft
entdeckt, träufelt, trippelt,
bis es schnurrt und fliegt,
wirbelt und kreist,
vibriert und strudelt,
die Farben sind Zeichen
und fügen sich zu Wörtern:
Sie lässt sie klingen, dröhnen,
bis alle Vaterworte verstummen,
bis Sie sich spürt und Nichts mehr
liebt als das Malen und hört
und trinkt und gibt dem Blau
das Wasser, den Himmel
und sich selbst
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DEICHFRIEDE 
30.6.19, 10:48
Geposted von Kerstin Seidel

DEICHFRIEDE



Alles verlier ich am Fluss
der meine Geheimnisse trägt
wie ein Freund
steht die Birke am Deich
bleibt ein Blatt in meinem Haar
ist keine Angst stärker
und kreisen seine sanften Wellen
um mein waches Ohr
halt ich die Stille
zwischen dünnen Fingern
sein Rauschen ist der Sinn
all meiner vielen Worte
mit denen ich in Betonwüsten
Hoffnung gieße
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ENTWURF 
30.6.19, 10:46
Geposted von Kerstin Seidel

ENTWURF



Ich schreibe ein Gedicht
entworfen aus Stille
geschrieben mit Blicken
gesegnet mit Blumen der Erde
und mit Armen erhoben zum Himmel
ein Lob auf das Leben und das Licht
gemeißelt aus Liebe
verströmt es Hoffnung auf Heute
gilt das Gute, das unbefangene
Lachen des Geliebten
mit der freundlichen Wärme
seiner Worte schreibe ich ein Gedicht
verschlungen und klar

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HEILUNG 
30.6.19, 10:45
Geposted von Kerstin Seidel

HEILUNG



Mit gläsernen Füßen
tanzt die Nacht trägt
Erde im Mund und
durch die Wiesen
wehen weiße Tücher
Flussarme herauf
die mich halten
wie man Vertrautes
behält und heilt

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BAUMSEIN 
30.6.19, 10:43
Geposted von Kerstin Seidel

BAUMSEIN



Ich möchte ein Baum sein
ein zottiger Riese
verwurzelt, mächtig
und breit
mit meinen grünen Fingerspitzen
streichel ich den weichen Bauch
der Wolken badend im Regen
mach ich mir ein Kleid aus Wind
das mir den Winter wärmt und
den Sommer kühlt
hart und weich zugleich
dient es den Disteln als Deckung,
meine suchenden Wurzeln
treibe ich tief hinein
in den Schoß der Erde lege
sie um ihr pochendes Herz
und fühle das warme Schlagen
der Stunden
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ZU FEIGE 
30.6.19, 10:41
Geposted von Kerstin Seidel

ZU FEIGE!



Manchmal spring ich
mit meinem Leben um
wie mit einem Schwamm
lass ihn vollsaugen an Welt
und press ihn wieder aus
und am Morgen schmink ich mir
die eigene Meinung ab
und treffe dann einen Tag
an Krücken
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