Spurlos  
2.10.21, 10:45
Geposted von Kerstin Seidel

SPURLOS



Endlich stoppen die Stunden
und es hört auf Erde zu regnen,
wir besorgen Brot und Wein
und feiern den Abend
ein kleines Fest unter
dem Halbrund des Mondes
müde vom Gehen in
zu großen Schuhen steht
der Fuß in der Tür und wir
sehen hinein was draußen bleibt
sind die Fußstapfen, zertretene
Blätter, unsere Haltestellen
verschwinden im Rasen
legen Apfelbäume
Sternbilder aus Fallobst
mit erloschenen Sorten,
die noch leuchten
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Im Laubregen 
24.9.21, 19:05
Geposted von Kerstin Seidel

Im Laubregen



tanzen und die Wolken an der Schnur ziehen,
um hinter die Sonne zu kommen,
ein Vorschuss an Licht hier
und dort habe ich es schon
angekündigt als verlockendes Angebot an jemanden,
der zum Schlafen die Uhr auszieht,
aber die Zeiger leuchten weiter
im Dunklen habe ich den Traum verstaut
in einem anderen Tag
bin ich der erste Mensch und
ich erfinde Geräusche, ich gehe zurück
in die erste Zeile und ändere
die Worte vom Küchenfenster aus
werfe ich einen Schatten auf die Wand
hat Ohren und belauscht
den Schlaf nichts geht mehr
Haarrissen gleich, feine Fissuren im Flurfenster
während die Gedanken stillstehen,
ein Spiegel der Zeilen,
müde vom Erzählen des Regens
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Mein Wort  
12.9.21, 08:50
Geposted von Kerstin Seidel

Mein Wort



will ins Licht,
dieses gierige Tier
liegt und lauert
bis die Innenwelt
sich entblößt wuchern
Wahrheiten in Gedanken,
leichte Geburten des Kopfes
in die Welt, rar geworden
sind die Orte,
an denen sich das Wort problemlos
an seine Abstammung erinnert
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Geduld  
4.9.21, 10:02
Geposted von Kerstin Seidel

GEDULD



Gib dir die Zeit und Unerschrockenheit:
Geduld und Tat in gleichem Maße
und Licht und Dunkel,
nur was Schatten wirft,
bleibt Kontur, bleibt Körper übend
den Schein und Schweigen, nicht
weitersagen, was du siehst ist
dein Bild von Welt und Wir finden uns
gestärkt, lebendig nur
was sich öffnet,
blüht
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Afghanistan  
22.8.21, 17:04
Geposted von Kerstin Seidel

AFGHANISTAN



Zerstückelung von Wir
in Du‘s und Ich‘s,

gottlose Hälften
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Manchmal  
22.8.21, 15:47
Geposted von Kerstin Seidel

Manchmal



gelingt es mir
mich zu verwandeln
in die Wärme,
die auf der Holzwand liegt,
in das grüne Licht,
das im Wasser schwebt,
in das leise Summen des Sommers,
über dem Horizont
wo es kein Später gibt nur
den Moment der Metamorhose
in dem mein Selbst
sicher ich bin

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Nackte Wahrheit  
22.8.21, 15:46
Geposted von Kerstin Seidel

NACKTE WAHRHEIT



Wenn wir aufhören
über uns miteinander zu sprechen,
werden die Dinge zu uns sprechen,
über uns hinweg
reden die Bäume in Gebeten,
verleugnete Namen werden wahr,
der Tatort ist begehbar,
hinter unserem Rücken
verwandeln sich Brotkrumen
in Wegsteine und der Schlüssel
unseres Geheimnisses ist verloren,
dann tätowiert der Sommer
mit eisiger Nadel moralische Maske
irgendwer hat uns die Decke
weggezogen, um zu sehen,
ob wir nackt schlafen
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Wortgeburt 
31.7.21, 18:47
Geposted von Kerstin Seidel

WORTGEBURT



Die Geburt des Wortes ist
ein Schrei in Wehen mitten
aus der Hölle gefahren
nach einer Wette auf Gott
verloren, verletzt, verbrannt
in Buchform auf Scheiterhaufen

Die Geburt des Wortes ist
ein Gebet, das sich selbst verbrennt
und neu erfindet, aufersteht
in Schönheit ohne Scham

Die Geburt des Wortes ist
eine Ahnung, die Flammen schlägt,
ein Kleid aus glitzernden Ideen
oder eine echt glatte Rasur

Die Geburt des Wortes ist
ein Weg aus der Einsamkeit

Die Geburt des Wortes ist
eine Warnung vor Wiederholung,
vor dem Onanieren ohne Erektion

Die Geburt des Wortes ist
eine Eruption der Gedanken,
Taten folgen

Die Geburt des Wortes ist
endlos, erlösend, irre, ergreifend,
wild und mild und schlaff,
zerrüttet, kaputt und
ans Licht gezerrt
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Muttersprache  
25.7.21, 11:16
Geposted von Kerstin Seidel

Muttersprache



beginnt mit meiner ersten Spucke
zersetzt staubige Märchen, Bibel-
Geschichten, die Opa leise liest
im Sessel im Kerzenschein die
gedruckten Buchstaben gesetzt
mit echten Lettern aus Blei was
Bleibendes diese Macht der Worte,
die ich hörte und später las ich
und erkannte das Lächerliche im
Großen und Ganzen und die
Schönheit im Schaufenster von
Tante Ginas Schreibwaren,
meinem Lieblingsladen mit Schul-
und Zeichenbedarf der Geruch
nach Büchern und Druckerschwärze,
hier begann Heimat und ging
die Oppauer Chaussee hinauf
und später wollte ich die Worte
durch mich selbst erfinden,
sollte mich Sprache ersetzen,
das musste misslingen,
ich blieb unausgesprochen, leer,
totenstill, das blanke Entsetzen
als ich das Hochdeutsche erlernen
musste als wäre das meine zweite
Muttersprache verschwand der Geruch
soweit meine Geschichte
mehr nicht
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Vorwärtsgang  
6.7.21, 20:47
Geposted von Kerstin Seidel

VORWÄRTSGANG



Nichts, nur das Morgen ist sicher,
nach jedem gleichst du mir mehr,
tritt aus dem Bild, denn wir sind echt,
ich mit dem brennenden Herzen
unter eisigen Sternen und du
Aug in Aug mit der Sehnsucht,
dich zu befreien aus dem bläulichen
Schimmel der Zeit, von dem
angeborenen Rost und du schläfst
unter dem Treibsand der Jahre,
Hand in Hand mit der Geduld und
der Freude auf mehr, auch wohnt,
was niemand ahnt, hinter
der Leinwand deiner Wange zur Miete,
ein zärtlicher Biss in zartes Gewebe
aus guten Gedanken,
lichtschnelle Wendepunkte
so fällst du nach oben, denn
der Himmel ist geräumig,
für solche, die vorwärts gehen
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