Am Abend  
30.1.21, 09:31
Geposted von Kerstin Seidel

Am Abend



kommen die Dinge nah
das blätternde Blau des Himmels
mondhell verfließen Sterne
wir fangen das Licht in Fenstern
dahinter leben die Farben im Zimmer
der bunte Blick von Blumen über
den Tisch führen Worte zu dir
im Dämmerlicht stehen die Stühle
still sitzen die Schatten im Dunkel
fällt die Zeit in Zwischenräume
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LINEAR 
23.1.21, 11:46
Geposted von Kerstin Seidel

LINEAR



Das Anlegen von Leidschutzmasken
rettet uns das Lächeln lautlos
sterben doppelte Dramen in den
Schlagadern pocht das Phlegma,
Partikel, die bei jedem Atemzug
die Sinne betäuben nur das Geld-
geschäft bleibt unangetastet
auf Bildschirmen sehen wir uns
bewusstlos im Dunkel bunt
gerändert und geöffnet das Lebenslachlabor,
wenn die Experten auftreten
am unvermeidlichen Ende der Dinge
bleibt dieser Versuch,
den Punkt zu verlängern
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Schnee  
2.1.21, 10:44
Geposted von Kerstin Seidel

SCHNEE



Die Leute schippen Schnee
weiße Gedanken flocken waldwärts,
auf Laternen brüten Blechvögel,
im Park blitzen Abschiedsbriefe,
Papierschnipsel, alles in weiß
die Hügel hüfthoch im Pulver,
Mehlpudrige, weiche Wolken,
der Himmel bestäubt
den Asphalt mit Kristallisieren,
die Krone der Schneekönigin glitzert
kalt und schön blühen Eisblumen
gegen den Frost
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Weg 
25.11.20, 19:22
Geposted von Kerstin Seidel

Dies ist der Weg



Lass uns zueinander sprechen
in einer vertrauten Tonart
mit dieser Stimme wie

Engel, Mann, Frau gehen
in den Spuren dazwischen
ist kein Schritt mehr möglich,
ohne die Welt zu verstehen

sag mir, wann kommen die Vögel
wieder, wann fällt Schnee
in die Nacht, wer baut mir
ein Strandbett aus
Moder und Muscheln?

Dort lag ich allein, aus Kanten
und Scherben fügte ich Fallen
als der Tag mich verließ, schwieg
ich und begrub Bienen
mit stumpfem Stachel im Sand
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Luftballons  
22.11.20, 19:06
Geposted von Kerstin Seidel

Die Luftballons


am Brunnen im Park
fühlen federleichte Höhe,
rot, blaue Flattertiere,
vogelleicht, frei, wirbeln
wie Wolken auf Baumhöhe
bleiben harmlos hängen
an kleinen Zweigen knospen
Blütenperlen schillernde
Scherben liegen auf Wegen
wirbelt Sand auf, stochern
Obdachlose in dunkle Löcher,
schlafen unter Steinen,
schwimmen in Pfützen, im Park
tanzen Nachtschwärmer
im Mondschein schimmern
Schwebetiere clean und clever
die Frau mit Koffer packt
schlechte Nachrichten aus
kleinen, müden Augen lächeln
Träumer in bunten Bildern
hängen Luftballons an Händen
im Park neben dem Brunnen
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Trost  
15.11.20, 12:58
Geposted von Kerstin Seidel

TROST



Der Winter verscheucht Vögel
mit eisigem Atem sprechen
falsche Propheten Gebete
an kahle Äste klammern sich
gefrorene Äpfel als Model
bleibt die Sonne eine Konstante
auf meiner Netzhaut ziehen
Lichtpunkte Kreise im Schwindel
drehe ich mich um mich selbst
zum Beispiel rückwärts stelle
Hypothesen in den Schuppen
zur Sense und den alten Schuhen
als Pfand habe ich mir den Schlüssel
um den Hals gehängt zum Trost
wasche ich gefrorenen Atem
von meinem Gesicht lesen Sterne
mein Schicksal bleibt ungewiss

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MITGEFÜHL 
14.11.20, 13:17
Geposted von Kerstin Seidel

MITGEFÜHL



Der Boden hier ist septisch
es wachsen Kippen aus dem Sand
und aus dem Stein das Moos,
seit Monaten da bin ich skeptisch
gehe nur vorgebeugt zum Strand,
höre leises Lachen in die Fäustchen
jedes Wort zum Wurf geballt und
auf der Bank die selben Alten
und der See steht still und kalt,
alles kippt nach rechts die Bäume
sind mit Stacheldraht umspannt,
blecken fremdenfeindlich Zäune
Kinder laufen Hand in Hand
zum Abendbrot nach Haus,
seit Monaten da bin ich skeptisch
und gehe nicht mehr davon aus
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BERÜHREN  
13.11.20, 09:05
Geposted von Kerstin Seidel
Ein Loblied auf die Berührung, die uns trotz Abstand halten, nicht abhanden kommen darf!
Lasst uns berührbar, anfassbar, verwundbar bleiben und nicht verhärten, vereinzeln, versteinern hinter Masken und Mauern. Der Umgangston wird roher, das Miteinander wird rauer.
Bleibt wachsam und berührbar!

BERÜHREN



Zu berühren die Fingerspitzen
fühlfedrige Tentakel auf
Sehnsuchtssuche sich anreichern
mit Wohlgefühl weich und
frisch wie junge Haut es geht
voran zu Fingerkuppen sanft
streicheln glatt, alle Knorpelkanten,
alle Knöchelfugen fügen sich
Flanellfedrige Handflügelflächen
beflattern den Bauch, den Rücken
auch es kann nicht schöner sein
doch wird es besser sobald man
es versteht, dass ohne sich zu
händeln, füßeln, bauchen gar
nichts geht


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Furcht 
10.11.20, 22:02
Geposted von Kerstin Seidel

FURCHT



Sing mit anderer Stimme
der Ernüchterung das Lied
der doppelten Erde dort
einer, den du getragen hast,
hier sein Kleid abgelegt,
ein Gewebe aus Schatten,
nackt hört er die Morgendämmerung,
Geste der Vergebung, sein Maßstab
ist Sand, schlicht, schmächtig,
unsichtbar sein Gott
träumt von mir, denn entkleidet
stehe ich vor ihm und
fürchte mich
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Angst  
10.11.20, 14:47
Geposted von Kerstin Seidel

Angst



mutiert den Schutz,
hinter dem mein Mund
lächelt draußen
verfällt Regen der Nacht
entsteigen Nymphen und
Negropole werden städtisch
im Inneren bin ich
sprachlos glaube nicht das,
was unentwegt klingt sind
Wörter schnell wachsende
Weiden morsch von Innen
nach Außen gekrümmt sieh
hin, sieh mich an bis zum Grund
ehrlich gesagt, habe ich Angst,
nicht geborgen zu sein
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